„Wenn 500 Millionen Europäer keine fünf Millionen oder mehr verzweifelte Flüchtlinge aufnehmen können, dann schließen wir am besten den Laden ‚Europa’ wegen moralischer Insolvenz … Wir, die Bewohner der Wohlstandsinsel Europa, sind die Hehler und Stehler des Reichtums der sogenannten Dritten Welt … Auf deren Kosten und Knochen haben wir uns bereichert.“ Mit diesen Aussagen zum Asylstreit hatte Norbert Blüm (1935 – 2020) zuletzt von sich reden gemacht – als soziales Gewissen nicht nur der Bonner Republik.
Vor sieben Jahren, im Dezember 2013, hatte ich das Glück, diesen Menschen im Rahmen der Verleihung des Marion Dönhoff-Preises im Hamburg kennenzulernen und fotografieren zu dürfen. Damals hielt er die Laudation auf die Preisträgerin Sr. Karoline Mayer und ihren Verein „Cristo Vive Europa-Partner Lateinamerikas“, die für ihren jahrzehntelangen Kampf gegen Armut und Hoffnungslosigkeit in Lateinamerika ausgezeichnet wurde.
In seiner Laudatio betonte Blüm damals die Bedeutung von Vorbildern wie Sr. Karoline Mayer für unsere Gesellschaft: „Vorbilder sind die Entschlüsselung eines komplexen Lebens“, so Blüm. Ein gelungenes Leben erkläre „den Sinn des Lebens verständlicher als ein grandioses philosophisches Essay“. Die Preisträgerin helfe nicht durch Worte, „sondern mit Lehrwerkstätten, Gesundheitszentren, Rehabilitationsstationen“. Sie tue, was Amtspersonen häufig versäumten.
Beim Stöbern in meinem Archiv bin ich jetzt auf diese Fotos gestoßen. Und dabei wurde mir wieder einmal schmerzlich bewusst, wie sehr in unserer heutigen Zeit moralische und humanistische Werte pulverisiert werden und verschwinden…