
Seit einiger Zeit beobachte ich in den sozialen Medien verstärkt, dass Influencer – oder solche, die es sein wollen – ihre Beiträge mit dem Zusatz „Werbung unbezahlt” kennzeichnen und dann Firmen und Marken in ihren Beiträgen verlinken, mit denen sie jedoch in keiner Geschäftsbeziehung stehen.
Um zu verstehen, was dahiner steckt, muss man sich vor Augen führen, warum Menschen sich in den sozialen Medien bewegen. Für viele Kreative bieten die sozialen Medien eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, ihre Arbeiten zu präsentieren. Vor allem Filmschaffende oder Fotografen können hier problemlos Videos und Fotos hochladen und so einem größeren Publikum präsentieren. Anhand der Rückmeldungen in Form von Likes oder Kommentaren können sie recht gut einschätzen, in welche Richtung sie sich weiter entwickeln können. Vor allem der kreative Nachwuchs nutzt die sozialen Medien, um sich auszuprobieren und seinen eigenen Stil zu entwickeln.
Profile und Konten, die eine hohe Anzahl an Followern und Likes aufweisen, wecken natürlich auch das Interesse von Unternehmen, die in den jeweiligen Bereichen tätig sind. Nicht wenige Fotografen sind über ihre Arbeiten in den sozialen Medien wie Instagram, Youtube oder Facebook von der Industrie entdeckt worden und ziehren heute ganzseitige Werbeanzeigen mit ihrem Konterfei. Gleiches gilt auch für die Bereiche des Sports oder des Tourismus. Wer also in seinem Profil mit Werbung arbeiten kann, gehört zu den Social Media Nutzer, die es geschafft haben, von ihrer Kunst zu leben. Der Hinweis „Werbung” – verpflichtend, wenn ich als Nutzer in einer Partnerschaft mit einem Unternehmen stehe, dessen Produkte ich in meinen Beiträgen zeige oder darauf verweise – verschafft mir gleichzeitig eine Steigerung der Aufmerksamkeit.
Von dieser zusätzlichen Aufmerksamkeit wollen auch diejenigen profitieren, die – ohne in einer Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmen zu stehen – ihre Beiträge mit dem Hinweis „Werbung unbezahlt” versehen und dann Unternehmen oder deren Marken in ihren Beiträgen verlinken. Viele von ihnen haben die Hoffnung, damit Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen und vielleicht eine Werbepartnerschaft oder ein Sponsoring darüber zu erlangen.
Dass sie damit aber genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie eigentlich wollen, zeigt das Beispiel einer Behindertensportlerin, die ich im letzten Jahr mit meiner Arbeit als Bildjournalist begleitet habe. Diese Sportlerin hat – kein halbes Jahr nach ihrer letzten Beinamputation – mit sportlichen Leistungen auf sich aufmerksam gemacht, die durchaus beachtenswert sind. Als erste Teilnehmerin mit einer hohen Oberschenkelamputation hat sie erfolgreich an Wettkämpfen teilgenommen, bei denen selbst Nichtbehinderte aufgegeben haben. Training und die Teilnahme an den Wettbewerben kosten Geld – und so war es ihr nicht zu verdenken, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte als einen Sponsor, der es ihr ein wenig einfacher machen würde, ihrer sportlichen Leidenschaft nachzugehen. Gemeinsam suchten wir nach einem passenden Partner für ein Sponsoring und wurden bei einem amerikanischen Sportartikelhersteller fündig, der mit seinem Unternehmensmotto „Just do it.” perfekt zum Lebensmotto dieser Sportlerin passte: „Aufgeben ist keine Option für mich!”
Wenn man wie ich nicht erst seit gestern in Bereichen wie dem Behindertensport arbeitet, verfügt man über unzählige wertvolle Kontakte – man kennt sich eben. Vor über zwanzig Jahren durfte ich die amerikanische Behindertensportlerin Jamie Goldmann bei ihren Wettkämpfen im Rahmen der Paralympics Revivals des Orthopädetechnik-Unternehmens Otto Bock als Bildjournalist begleiten. Sie hatte damals mit ihren außergewöhnlichen sportlichen Leistungen als doppelt unterschenkelamputierte Sportlerin die Aufmerksamkeit der Sportartikelhersteller auf sich gezogen und just mit dem Hersteller eine Sponsoringvereinbarung, den auch wir ins Auge gefasst hatten. Lange Jahre war sie prominente Markenbotschafterin dieses Herstellers und demonstrierte, zu welchen sportlichen Leistungen Menschen mit einer Behinderung fähig sind. Über sie kam ich in Kontakt mit der für Europa zuständigen Sponsoring-Abteilung dieses Unternehmens. Interessiert nahm man dort die übersandten Informationensmaterialen mit Biografie, Zeitungs- und Medienberichten über die Teilnahme an verschiedenen Wettbewerben sowie Fotostrecken zur Kenntnis und versprach, das Ansuchen um ein Sponsoring aufgrund der übersandten Unterlagen wohlwollend zu prüfen.
Es ging einige Zeit ins Land, in der auch ich nicht daran dachte, bei dem Sportartikelhersteller wegen des Sponsorings nachzufragen. Die Sportlerin, die ich begleitete, postete ihre Beiträge in den sozialen Netzwerken und markierte darin mit dem Hinweis „Werbung unbezahlt” natürlich auch den Sportartikelhersteller, den sie gern als Sponsor gehabt hätte, weil sie seine Produkte – Sportschuhe und Sportbekleidung – begeistert trug. Sie hoffte darauf, damit zusätzliche Gründe für ein Sponsoring zu geben.
Letzten Endes schuf sie damit aber – ohne es zu wissen – den Grund für die Ablehnung des Sponsorings. Als ich vor ein paar Tagen meinen Ansprechpartner bei diesem Sportartikelhersteller anrief, um wegen des Sponsorings nachzufragen, erklärte mir dieser ohne Umschweife, dass man die Leistungen dieser Sportlerin sehr wohl beachtlich finde, aber nicht an einem Sponsoring interessiert sei. Auf meine Nachfrage nach dem Grund erklärte man mir, dass man nicht einsehe, für etwas zu bezahlen, was man auch ohne Bezahlung bekomme. „Sehen Sie”, meinte mein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung, „warum sollen wir Geld für etwas ausgeben, was wir auch umsonst bekommen? Die Leistungen dieser Sportlerin sind sicher beachtlich, aber warum sollen wir ihr Geld dafür geben, dass sie Werbung für uns macht und unsere Produkte präsentiert? Sie macht es doch auch, ohne dass wir sie dafür bezahlen…” Eine Argumentation, der ich nichts entgegen setzen konnte…
Aus diesem Grund werde ich keine unbezahlte Werbung machen. Wer sich mit meiner Reputation und meinem Namen schmücken möchte, soll mich dafür bezahlen. Wobei auch dann gilt: Selbst für noch so viel Geld werde ich keine Werbung für Produkte machte, hinter denen ich nicht zu 100% stehe…
Wie steht ihr zu unbezahlter Werbung?
Hinterlasst mir Eure Anregungen und Gedanken dazu in den Kommentaren. Ich freue mich auf Eure Beiträge…
Das Erschütternde ist, wie so oft, die Ehrlichen sind die Dummen. Der Kaptitalismus ist auch dort wie im Lehrbuch nachzuvollziehen.